Johanna Graisy
Wer einmal mit Johanna Graisy spricht, traut ihr alles zu: Wie ein Wirbelwind jagt sie hellwach, voller Energie und patent durch ihre Sätze. Dieses Vertrauen hat sie sich verdient: In ihrem Alltag kreiert sie ständig neue Kochrezepte und entwickelt Produktabwandlungen zum Beispiel zur polnischen Cremeschnitte „Karpatka“ oder zum „Borschtsch“, der Rote-Rüben-Suppe. Aber sie kann auch ganz anders: Johanna ist promovierte Juristin mit Schwerpunkt Erb- und Zivilrecht, Familienunternehmen und Vermögensverwaltung. Vor drei Jahren hat sie gemeinsam mit Christoph Liebscher, das moderne Bio-Gasthaus „Gustl kocht“ im Wiener dritten Bezirk eröffnet und arbeitet in ihrem zweiten Hauptberuf als selbstständige Anwältin. Wir haben Johanna in ihrem Zuhause in Wien besucht und uns von ihrer Energie und ihrer Kunst zu gestalten, inspirieren lassen.
16. November 2018
„Vieles hier in meinen privaten vier Wänden erinnert mich an meine Wurzeln“, lacht die sympathische Wienerin. „Meine Mutter ist Polin und viele der Gegenstände kommen von dort oder aus Osteuropa.“ Die gebürtige Österreicherin umgibt sich in ihrer Wiener Wohnung mit modernen Einrichtungsgegenständen wie auch aus einem Konglomerat an Erinnerungsstücken und mitgebrachten Dingen: Die Marienfigur auf ihrer Kommode ist aus Polen, der Lampenschirm dahinter stammt von einem Flohmarkt sowie einem Lampenschirm von Lori Rosenberg; die Sofapolster hat ihre Schwester aus Kasachstan mitgebracht, der Teppich ist aus Mostar (Bosnien). „Das alles ist irgendwo meine Heimat, hier liegt meine Emotion. Daher biete ich auch in meinem Gasthaus zusätzlich zu der österreichischen Küche sehr viele Gerichte mit osteuropäischem Einschlag.“
„Meine Wohnung ist klar und trotzdem gemütlich. Ein Ort zum Wohlfühlen und Kreativsein“, schwärmt Johanna.
Ihre Wohnung teilt sie mit ihren zwei Katzen. Mittig steht der Tisch, der alles kann: „In den meisten Fällen brauche ich zur Ausübung meines juristischen Berufs nur meinen Laptop und ein Telefon“, erklärt die vielseitige Powerfrau. „Aber meine Schriftsätze und Nachschlagewerke kommen durchaus auch auf meinen großen Tisch. Und auf diesem selben Tisch schlage ich Rezepte nach, breite Kochbücher aus und lasse mich inspirieren. Als Anwältin bin ich fokussiert ausgebildet und kann intellektuell arbeiten, was ich sehr mag. In der Gastronomie muß ich ganz anders aufmerksam sein, wie eine Unternehmerin denken und gleichzeitig kreativ Produkte entwickeln und fertigstellen. Diese Kombination finde ich einfach großartig.“
Seit drei Jahren ist ihr modernes Bio-Gasthaus schon in Betrieb und es ist viel gefragt und häufig ausgebucht. „Regional.Wertvoll.Bio“ hat sich „Gustl kocht“ auf die Fahnen geschrieben; mit ihrem Koch Maximilian Kraus hat sie einen Könner gefunden, der die Speisen nach ihrem Gusto umsetzt – und dem der Gäste.
Dabei arbeitet Johanna schon sehr viel länger an ihrem Traum, ein Bio Gasthaus in Wien zu eröffnen. Die Idee kam von ihrem Geschäftspartner und Gründer Christoph Liebscher, dessen Spitzname übrigens „Gustl“ ist und der sich – wie sie – leidenschaftlich mit Essen und Kochen beschäftigt; aber alles sollte in Bio-Qualität und mit ausgesuchten Zutaten sein. Auch der Ort, an dem „Gustl kocht“ sein Zuhause gefunden hat, ist besonders und hat schon Vieles beherbergt: Von einer Wäscherei zu einem Hutmacher, auch ein Kino war in den Räumen. Zwei Jahre lang wurde die Location umgebaut, und es hat sich gelohnt: Die Räume sind auffallend und mit 5-6 Meter besonders hoch, und Johanna und Christoph haben sich spezielle Features einfallen lassen. So zum Beispiel haben sie einen neuen Holzboden verlegen lassen, der aus 150 Jahre alten Holzpflöcken besteht, die sie Stück für Stück mit Sand dazwischen aneinander haben legen lassen. Farblich passend zu dem Interior hat sie die Wandfarbe von „Cooper Colours“ gewählt.
„Unsere Gäste sprechen mich auf den wunderbaren Boden an, wie auch auf die 100 Jahre alte Markise aus der „K&K“ Zeit, die ich von einem Kaffee in Lemberg, einer Stadt in der Ukraine, abgekauft wurde. Sie wird noch von Hand gekurbelt und ist 40 Meter lang; ein echtes Schmuckstück!“
„Mein Gasthaus und mein Job als Anwältin ergänzen sich ideal und füllen mich mehr als aus“, erzählt Johanna Graisy energiegeladen. „Sie geben mir eine innere Freiheit, die ich nicht mehr aufgeben möchte.“ Ruhig wird die 36-Jährige allerdings am Abend in ihrem Zuhause, wenn der Kamin an ist, sie wahlweise Kochbücher oder Verträge liest und sie zurück zu ihren Wurzeln geht. „Dazu gehören auch meine slawischen Pantoffeln, die aus Rauhleder und Schafswolle bestehen. Diese habe ich auf einem Markt in Krakau gekauft. Einer der vielen Bausteine, die mir Kraft geben für den nächsten Tag.“ Kraft für den nächsten Tag – mit ihrer Energie, ihrem Fokus und Ideenreichtum trauen wir Johanna alles zu.
